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Die Heimat liegt anderswo

16. 10. 2010

Podiumsdiskussion über Jugendliche mit Migrationshintergrund: Nicht die Sprache ist das Problem, sondern die Ausgrenzung.

 

KIRCHZARTEN. Migration und Integration ist in aller Munde – seit Thilo Sarrazin und auch jetzt wieder mit den Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer. "Wie lebt es sich als Jugendlicher mit Migrationshintergrund im Dreisamtal?" war das Motto einer Podiumsdiskussion im Schulzentrum Kirchzarten.

Vergleichsweise normal – so konnten es die Zuhörer aus den Berichten der Jugendlichen auf dem Podium vernehmen, die nicht in Deutschland geboren sind. "Die Sprache ist kein Problem", sagte Filanza Musa, die im Alter von neun Jahren mit ihren Eltern aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen ist. Auch Alexander Haar und Olesia Litosh, aus Kirgisien und Russland stammend, sagten, dass sie die deutsche Sprache trotz fehlender Vorkenntnisse schnell gelernt hätten – durch das Fernsehen, durch Mitschüler und die Hilfe ihrer Lehrer. Auf die Frage nach ihrer Heimat antwortete aber nur Alexander mit "Deutschland". "Ich bin eher in Russland zu Hause", sagte die 16-jährige Olesia. Und Filanza Musa unterstrich: "Heimat bleibt für mich Kosovo."
Die junge Frau berichtete davon, wie sie sich seit drei Jahren vergeblich um eine Arbeitserlaubnis bemühe. Viele Auswanderer wollten nicht arbeiten, aber das treffe gleichermaßen auf Deutsche zu. "Niemand darf Menschen über einen Kamm scheren", sagte sie. "Die meisten Einwanderer in Deutschland leben unauffällig und integriert", unterstrich Bernhard Scherer, Geschäftsführer des Caritasverbands Breisgau-Hochschwarzwald, zu Beginn. Gerade angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels brauche Deutschland Einwanderung. Tatsächlich aber kommen Scherer zufolge weniger als abwandern, die Zuwanderungsbilanz sei negativ.

Am besten miteinander klar kommen wohl die Nationen beim gemeinsamen Fußballspiel. "Bei uns ziehen sich die Jugendlichen oft gegenseitig mit ihrer Herkunft auf, aber das ist nur Spaß", sagte Stefanie von Mertens von der Fußballschule des SC Freiburg. Ihre Äußerungen motivierten Jürgen Schlegel, Lehrer an der Zarduna-Förderschule, zu der ironischen Bemerkung: "Ich kann nur jedem Ausländer raten, Profifußballer zu werden, dann hat er in Deutschland keine Probleme, dann muss er nicht einmal die Sprache können, dann kann er in gebrochenem Deutsch in Mikrofone sprechen."
Außerhalb des Stadions geht es anders zu. "Jugendliche Einwanderer müssen sich vier Mal häufiger bewerben als deutsche Jugendliche", erklärte Wolfgang Busse vom Jugendmigrationsdienst der Caritas. Reinhold Pix, Landtagsabgeordneter der Grünen, brachte die Forderung nach einem islamischen Feiertag ein – der Thomas Bahr, Mitarbeiter des Freiburger CDU-MdL Klaus Schüle, gleich widersprach. Ein solcher Tag löse das Problem mangelnder Integration nicht. Deutschland sei noch immer ein christliches Land. Bahr hält auch nichts von Quoten für Migranten, dass sie beispielsweise bei der Polizei zu einem Mindestprozentsatz eingestellt werden müssen. Walter Krögner, für die SPD im Stuttgarter Landtag, hatte das in der Diskussion als ein geeignetes Mittel zur Integration bezeichnet.
Die Vertreter der Politik auf dem Podium ließen in ihren Äußerungen schon den Landtagswahlkampf 2011 anklingen. Bis sich Patrick Jäger, Jugendlicher aus Stegen, zu Wort meldete und sie aufforderte, zur Sache zurückzukehren. Einigkeit bestand nach Abschluss der von Andreas Hellstab von der Landeszentrale für politische Bildung geleiteten Diskussion darin, dass viele Ausländer bessere Perspektiven bräuchten. Doch oft seien sie von den Behörden nur geduldet, dürften sich nicht frei bewegen und müssten befürchten, jederzeit in ihre Herkunftsländer abgeschoben zu werden.  

 

Quelle: Badische Zeitung