5.2. Partizipation
Partizipation verlangt von den Erwachsenen, sei es in Arbeitskreisen oder bei der Unterstüzung in Selbstorganisationsprozessen, mit Jugendlichen über ihre Inhalte und Interessen zu verhandeln, ohne zu dominieren.
Mit Partizipation ist aber vor allem direkte politische Mitbestimmung Jugendlicher und direkte Einflussnahme auf politische Entscheidungen gemeint. Dies geschieht in Stegen noch in anwaltschaftlicher Funktion durch das Kinderund Jugendbüro.
Direkte Mitbestimmung Jugendlicher erfordert die Schaffung von Voraussetzungen, die politische Beteiligung im öffentlichen Alltagsraum für Jugendliche möglich machen. Die Rechte Jugendlicher auf politische Mitwirkung haben mehrere Bundesländer bereits in ihren Gemeindeordnungen festgeschrieben. Am weitesten geht Schleswig-Holstein mit der
Formulierung (6):
„Die Gemeinde muss bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen“ (§ 47f GO).
Die Gemeindeordnung Baden-Württembergs (7) sieht zahlreiche Möglichkeiten der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen vor. Nach § 10 sind Jugendliche als EinwohnerInnen zu betrachten. Daher müssen sie nach § 20 in allen Angelegenheiten, in denen sie fachkundig sind, also die sie betreffen, unterrichtet werden.
In solchen Angelegenheiten haben sie auch das Fragerecht im Gemeinderat (§ 33 Abs. 4), eine Anhörungsmöglichkeit im Gemeinderat (§ 33 5 BIMSCHAS, B./ SCHRÖDER, A.: Beziehungen in der Jugendarbeit. Untersuchung zum reflektierten Handeln in Profession und Ehrenamt. Opladen 2003. Abs. 4), die Möglichkeit zur Beratung des Gemeinderates (§ 33 Abs. 3) und die Möglichkeit der Anhörung in Ausschüssen (§ 33 Abs. 4). Sie können beratende Mitglieder in beschließenden Ausschüssen (§ 40) und Mitglieder in beratenden Ausschüssen (§ 41) werden. Aufgrund ihres Status als EinwohnerInnen können Jugendliche an Bürgerversammlungen teilnehmen, sie aber nicht einberufen (§ 20).
Der § 41a ermöglicht zusätzlich die Einrichtung eines Jugendgemeinderates
oder anderer Jugendvertretungen und betont ausdrücklich, dass Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, beteiligt werden können (vgl.: Akademie der Jugendarbeit Baden-Württemberg e.V., Gelingende Beteiligung von Kindern und Jugendlichen vor Ort) Demokratie kann nur erlernt werden, indem sie echt zugemutet wird.
Deshalb darf Partizipation nicht nur in Form von Fragebögen oder der Mitwirkung in Arbeitskreisen eröffnet werden, sonder muss als reales Entscheidungsrecht greifbar sein. Jugendliche sollen nicht in harmlosen Fragen entscheiden, sondern in den für sie ernsten und wichtigen Fragen: dazu gehören auch Personalseinstellungen und Haushaltspläne in jugendrelevanten Institutionen.
Nur wenn Jugendliche auch die Macht haben, wichtige Entscheidungen mitzubestimmen, wird es für sie Sinn machen sich politisch zu engagieren, zu kämpfen, zu lernen und Lösungen zu finden. „Mutet man Jugendlichen solche echten Entscheidungen zu, ist dies immer mit der Unterstellung verbunden, dass sie auch mündig und damit verantwortungsfähig sind.
Die Frage ist nicht, ob Jugendliche Verantwortung übernehmen können (genauso wenig wird danach gefragt, ob Jugendliche partizipieren können), sondern wie sie Verantwortung übernehmen können: Welche Aufgaben können sie eigenverantwortlich übernehmen und welche Unterstützung brauchen sie dafür? Dabei ist darauf zu achten, dass keine der gemeinsam getroffenen Entscheidungen die Selbstentfaltungsrechte von einzelnen oder Gruppen einschränkt oder verhindert.
Vor allem Pädagogen haben an dieser Stelle eine advokatorische Schutzfunktion. Sie behalten letztlich die Verantwortung auch in Partizipationsprozessen“. (8)
(6) Bruner, C.F./Winklhofer, U./Zinser, C., Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Kommune. Ergebnisse einer bundesweiten Erhebung, München 1999.
(7) Gemeindeordnung Baden-Württemberg in der Fassung vom 03.10.1983, zuletzt geändert durch Gesetz vom
27.07.2005.
(8) Knauer, Raingard; Sturzenhecker, Benedikt, Partizipation im Jugendalter. In: Benno; Jansen Hafeneger,
Mechtild M.; Niebling, Torsten (Hrsg.), Kinder- und Jugendpartizipation im Spannungsfeld von Akteuren und
Interessen, Opladen 2005.